Zwei Mal leichtes Winterbergsteigen am Schneeberg

Es ist Mitte April und nach einer anhaltenden Wärmeperiode, die den Großteil des Winterschnees am ohnehin recht schneearmen Alpenostrand abgetaut hat, hat der Spätwinter den Schneeberg noch einmal mit etwas Neuschnee versorgt.
Den ganzen Winter habe ich vergeblich auf gute Verhältnisse zum Mixed-Klettern gewartet, meist war es viel zu warm, oder es war gscheit kalt und Wintersturm. Mit Anfang April hatte ich die Wintersaison am Schneeberg dann endgültig für beendet befunden, da, außer in nordseitigen Rinnen kaum mehr Schnee zu sehen war.
Jetzt gibt’s aber wieder eine Phase mit durchgehenden Minustemperaturen oberhalb von 1000 Metern. Also packe ich dann doch noch die Steigeisen und Handschuhe ein und begebe mich nach Losenheim am Schneeberg.

Punkt acht Uhr morgens geht’s bei knapp über Null Grad los und nach gut 50 Minuten quere ich bereits am nördlichen Grafensteig über die Breite Ries nach Süden. Der nasse Neuschnee auf den Kalksteinblöcken macht keinerlei Probleme und auch über die waldigen Rücken geht es zügig voran. Nach etwa eineinhalb Stunden bin ich am Beginn des Novembergrats, bis hier war ich noch nicht sicher, ob ich diesen oder den Oktobergrat-Herminengrat machen will. Letztere Variante hatte ich im vorangegangenen Sommer gemacht, wobei ich von festem und griffigem Gestein abseits des viel bewanderten Herminensteigs positiv überrascht wurde.
Weil mir die Kletterpassagen am Novembergrat aber etwas besser in Erinnerung scheinen, beschließe ich doch diesen zu klettern.

Nach ein paar Minuten lasse ich den Wald hinter mir und lege die Steigeisen an. Genaugenommen ist die Bezeichnung Grat weder für den November-, den Herminen-, noch für den nördlicheren Nandlgrat eine passende. Wenn man’s drauf anlegt kann man diese meist sehr breiten Anstiege fast ohne Handeinsatz begehen, ich suche mir dann immer möglichst irgendwelche Gratzacken, die ich im Vorbeigehen mitnehme, so auch bei der heutigen Tour.
Nach anfänglichem Gehgelände finden sich bald häufiger blaue Punkte an Felsaufschwüngen, diese dürften die sogenannten Zauder-Varianten (fast alle im 3ten Grad) markieren. Bei den heutigen Verhältnissen suche ich mir allerdings eigene Kletterstellen aus, die sich maximal im oberen 2ten Grad bewegen. In erster Linie soll diese Besteigung ein Training für das leichte Klettern mit Steigeisen darstellen. Ein Kamin (II+ bis III-) schaut am ersten Blick gut machbar aus, entpuppt sich beim Betasten eines Griffes als sehr brüchig. Ich umsteige ihn einen Meter weiter links (II-) unweit der Schlüsselstelle des Normalanstieges.
Die längste durchgängige Kletterstelle folgt wenig später und ist mir noch von der letzten Sommer-Begehung in Erinnerung. Etwas abgewandelt steige ich in leichtem Felsgelände (max. II-) von einem kleinen Band zum nächsten. Als ich an der Spitze der Gratzacke stehe, liegen etwa 15 vertikale Klettermeter zwischen Ein- und Ausstieg. Viel mehr geht hier kaum.
Weiter über Gehgelände erreiche ich schließlich die finalen sehr leichten Kletterstellen (I bis I+). Hier lege ich meine winddichte Jacke als fünfte und oberste Lage an. Schon während des Großteils des Aufstiegs am Grat hat es dezent geschneit und immer wieder wurde ich von Windböen mit Pulverschnee beschossen.
Am Plateau liegt die Sichtweite zwischen 100 und 30 Metern und der Wind weht mit geschätzten 50 bis 60 km/h deutlich stärker als in tieferen Lagen.
Ich wandere den Fahrweg entlang in Richtung Fischerhütte, um die Tour zu einer Art Überschreitung zu machen. Auf den letzten 100 Höhenmetern bis zur Hütte geht die Sichtdistanz auf 20 Meter zurück und die bisher reichlich vorhandenen Flecken herausragender Grasbüschel verschwinden unter einer tiefer werdenden Schneedecke.
Bald stehe ich vor einer weißen Wand, oder besser ich stehe im Nichts. Zwar habe ich schon hin und wieder ein Whiteout erlebt, jedoch noch nie in diesem Ausmaß. Der starke Seitenwind in den Augen macht die Sache auch nicht besser und auch die GPS-Karte ist schwer zu erkennen. Ich sehe aber, dass es zur Fischerhütte nicht mehr weit ist und sich in unmittelbarer Nähe auch keine Abbruchkante befindet.
Ich steige in zusammengewehtem Schnee aufwärts, was sich wirklich sehr komisch anfühlt, da ich im Whiteout überhaupt nicht abschätzen kann, wie weit sich mein Fuß über dem Boden befindet, sodass das Aufsetzen überraschend eintritt. Nach wenigen Metern im Blindflug erkenne ich schließlich einen Gedenkstein nahe der Fischerhütte, den ich im ersten Moment für den Block am Gipfel des Kaiserstein halte, was mich kurz verunsichert. Dem wieder sichtbaren Fahrweg folgend, erreiche ich endlich die Fischerhütte. Gepanzert mit einer Eisschicht macht sie keinen einladenden Eindruck, geöffnet hat sie auch nicht, alle Eingänge sind zugeweht. Ich setze mich kurz im Windschatten auf ein Bankerl und gieße mir etwas heißen Tee ein.
Noch überlege ich ob des sinnvollsten Weiterweges, da ich mir nicht sicher bin, wie es mit den schlechten Sichtbedingungen weitergeht. Ursprünglich hatte ich vor, in die Breite Ries einzusteigen und im Expressgang ins Tal zu surfen. Diese Idee verwerfe ich recht schnell, weil die Sicht dafür einfach zu schlecht ist.
Ich steige vorerst in Richtung Nandlgrat und Fadensteig ab und will dann kurzfristig entscheiden.
Noch immer ist alles um mich herum vorwiegend weiß, glücklicherweise sind die Wegmarkierungen dicht genug platziert, dass ich dem Steig problemlos folgen kann. Um die seitliche Blendwirkung zu minimieren, halte ich mir beide Hände rechts und links an die Schläfen, ohne Sonnenbrille wäre ich vermutlich komplett geblendet. Kurz vor dem Abzweiger zum Nandlgrat erreiche ich die Wolkenuntergrenze und die Sichtweite steigt auf mehrere Kilometer an.
Ich überlege kurz und gehe weiter zum Fadensteig, den Nandlgrat habe ich im Abstieg als ziemlich langwierig in Erinnerung.
Der Fadensteig wartet mit vergleichsweise viel Pulverschnee auf, jedoch deutlich weniger als 2021, als ich hier erstmals im Winter aufgestiegen bin. Damals war das Drahtseil in der unteren Traverse komplett im Schnee verschüttet, während es heute deutlich oberhalb des Schnees hängt. Der untere Teil des Fadensteigs zieht sich etwas in die Länge, jedoch nicht so sehr, wie mich der Schlussteil der Tour über die apere Schipiste quält.
Nach 6:15 Stunden, 14,3 km und 1350 Hm kehre ich am frühen Nachmittag zum Auto zurück.

Es ist eine Woche nach der gerade beschriebenen Tour, als mich die drohende Rückkehr wärmerer Temperaturen erneut zum Schneeberg führt. Nach der Besteigung in der Vorwoche hatte ich den Waden-Muskelkater meines Lebens, seit einigen Tagen fühlen sich die Haxen aber wieder schön fit an.
Während ich meine Muskeln also mit Alternativsport in Form von Radeln und Wanderungen <500 Hm kurierte, sorgte ein Mittelmeertief für etwas Neuschnee im Schneebergland.

Fast auf die Minute genau, aber eine Woche später, steige ich aus dem Auto, diesmal nicht in Losenheim, sondern im Schneebergdörfl.
Über den unteren Schneidergraben steige ich zuerst an einer Forststraße, später auf kleinen abkürzenden Steigen höher. Eine durchgängige Schneedecke gibt es ab dem eigentlichen Beginn des Schneidergrabens, diese ist derzeit noch schön knusprig und griffig. Doch schon während ich höher steige, wird der Schnee bedeutend weicher und auch tiefer.
Vor lauter Schneegestapfe übersehe ich die Kreuzung mit dem nördlichen Grafensteig und merke erst 30 Höhenmeter später, dass ich wieder runter muss. Durch eine schmale Latschengasse und durch fast Hüfthohen Schnee quere ich von schräg oben hinüber zum Grafensteig um möglichst wenige Höhenmeter zu verschwenden. Nach einem Stück im Wald komme ich an den Schutthang, an den der Oktobergrat grenzt. Bis hierher habe ich schon knapp zwei Stunden gebraucht, in der Sonne ist es schon ganz schön warm. Ein Stück den schottrigen Hang bergauf, dann zwischen den Latschen hindurchschlüpfend, erreiche ich bald luftigeres Gehgelände.
Ich mache eine kurze Pause mit Tee und Nüssen und lege die Steigeisen an. Nach kurzweiligem Gehgelände erreiche ich eine alternative Aufstiegsroute in Form eines etwa 5 m hohen Kamins. Als ich im Sommer des Vorjahres hier unterwegs war, hatte ich mich nicht raufgetraut. Heute, trotz Schnee und Steigeisen, wirkt die Kletterstelle geradezu einladend. Schöne Tritte und stabile Griffe machen den Kamin (II-) zu einem tollen Kletterauftakt der Tour.
Bei einer späteren Stelle, die ich im Sommer geklettert bin und die über eine etwas ausgesetzte linksseitige Traverse (max. II-), steige ich wieder zurück, weil mich die Schneelage doch etwas entmutigt.
Nach weiteren Kletterstellen im ersten Grad erreiche ich schließlich die Verbindung zum Herminensteig, der sich bisher stets linkerhand in Serpentinen am Geröllhang heraufschlängelte. Die einstige Schlüsselstelle des Herminensteigs wurde seit meinem letzten Besuch aus dem Programm genommen und ein grellroter Wegweiser zeigt eine Umgehung an.
Diese Maßnahme ist einigermaßen verständlich, ist doch diese kurze Stelle schon arg abgeschmiert und besonders für Menschen kleinerer Statur von einiger Schwierigkeit.
Ich hingegen habe keinerlei Probleme die Stufe zu überwinden, ich suche mir schön hohe Griffe, steige mit links auf einen guten Tritt, spreize mich rechts in die abschüssige Platte und drücke mich hinauf, fertig.
Wenig später wartet dann noch ein Schmankerl auf mich: Eine etwa 5-6 m hohe Verschneidung (II) mit etwa noch einmal so viel Metern 1er-Gelände im Zustieg.
Von rechts kommend steige ich ein und finde ganz gute Tritte, die Griffauswahl ist etwas dürftig, weil auf den meisten nasser Schnee liegt. Ich drücke mich nach oben und steige weiter, jetzt sind auch die Tritte eher fragwürdig, was aber dem Mangel an Gefühl mit den Steigeisen zuzuschreiben ist. Weil die Griffe noch immer suboptimal sind, steigt in mir ein Hauch von Angst auf und vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon abrutschen. Mit einem glücklichen Griff schaffe ich es aber mich zu stabilisieren und meinen Geist etwas zu beruhigen. Eine Hand voll Tritte später schaffe ich es schließlich auf den Grat, wo ich mich kurz hinsetze, die Sportuhr bescheinigt mir einen Puls von 190.
In einfachem Gelände klettere ich vom Gratturm ab und zurück auf den Steig. Kurze Zeit später durchsteige ich die, mit Drahtseil versicherte zweite Schlüsselstelle des Herminensteigs, ab hier weicht der Herminengrat nur noch einmal vom Wanderweg ab.
Nach der entrischen Kletterei in der 2er-Verschneidung lasse ich die 8 m Wand (III-) links liegen und folge dem Normalweg bis zum Plateau.

Von hier steige ich in wenigen Minuten zum Gipfel des Waxriegels auf 1888 m, wo ich eine schöne Aussicht auf die Umgebung habe. Nach einer kurzen Rast wandere ich am Damböckhaus vorbei und durch eine Latschengasse hinüber zum Einstieg in den Novembergrat. Meinen Plan eventuell über die Breite Ries abzusteigen, habe ich aufgrund des schon sehr weichen Schnees verworfen. Obwohl ich den Novembergrat mittlerweile vier Mal im Aufstieg und einmal im Abstieg gegangen bin, muss ich immer wieder halt machen und kurz suchen, wo es weiter geht. Die roten Punkte dürften zum Teil unter dem Schnee versteckt sein. Glücklicherweise finden sich an windschattigen Stellen Fußspuren einer anderen Person, die mir im Abstieg öfters zur Hilfe kommen.
Habe ich schon am Grafensteig gemerkt, dass deutlich mehr Schnee liegt als noch vor einer Woche, so wird dies im oberen Abschnitt des Novembergrats noch deutlicher, wo ich mich mehrfach durch knietiefe Wechten im Windschatten der Latschen arbeiten muss. Hinzu kommt, dass der Schnee mittlerweile sehr nass und klebrig geworden ist, sodass er oft in einer dicken und schweren Schicht an den Antistollplatten der Steigeisen haften bleibt. Die Platten sind von zahlreichen leichten Mixed-Touren schon ziemlich zerkratzt und vielleicht auch deshalb nicht mehr sonderlich schneeabweisend.
In einer mäßig steilen Rinne, die ich aufgrund der zahlreich verfügbaren guten Griffe nutze, trete ich immer wieder größere Schneeschollen vom Untergrund los, die Rollen und Scheiben bilden und in die Tiefe fahren.
Die Schlüsselstelle des Novembergrat-Normalweges, eine 1er-Stelle, die nach etwas Trittsucherei auch im Abschnitt gut schaffbar ist, lasse ich hinter mir und alsbald erreiche ich den Wald und schließlich den Grafensteig an der Sitzstatt. Hier gönne ich mir noch eine letzte Rast, bevor ich mich hinüber zum Schneidergraben begebe und zum Ausgangspunkt der Tour zurückkehre.
Für 13 km und 1230 Hm habe ich gesamt 6:50 h gebraucht.

Jetzt reicht’s mir zumindest momentan mit dem Winterbergsteigen, die sommerlichen Kletterrouten rufen schon.

bergdodln.com ist zurück

Nach einem mehrjährigen, eher unfreiwilligen Hiatus, die Website ist durch ein fehlerhaftes Update funktionsunfähig geworden, ist Bergdodln.com nun wieder online. Warum das jetzt fast drei Jahre gedauert hat? Keine Ahnung, ich war wohl einfach zu faul mich mit den Wirren des Website-Baukastens zu beschäftigen und bin stattdessen lieber in die Berge gegangen.

Anders als bisher wird’s keine reinen Tourenberichte mehr geben, sondern eher als Erfahrungsberichte und Texte mit konzeptionellen Freiheiten gehaltene Inhalte.
Die alten Artikel habe ich zwar noch offline gespeichert, werde sie aber nicht mehr hochladen, so besonders war die Qualität damals auch nicht 😉

Uploadplan gibt’s keinen, ich schreib ganz einfach, wann ich Lust habe und wenn ich verfassungswürdige Touren gemacht habe. Eventuelle Geheimtipps bleiben geheim, selber suchen macht ja sowieso mehr Freude.

Damit sei alles gesagt, gut steig und immer eine Handbreit festen Fels unter den Schuhen!